Grüne Wunderwaffen aus Deutschland

Als ob es schon nicht schlimm genug war, solche Betrüger wie die Firma Wirecard vor zwei Jahren in die erste deutsche Börsenliga DAX zu hieven, folgt gleich der nächste Dumme-Jungen-Streich: Wirecard hat sich erledigt und verschwindet im Mülleimer gescheiterter Unternehmen (wobei ein Rekordschaden von über 20 Milliarden Euro entstand). Der neue Star am deutschen Börsenhimmel heißt „Delivery Hero“, eine Berliner Firma aus der „Start-Up-Schmiede“ Rocket Internet, hinter der die Hochstapler-Gebrüder Oliver Samwer, Marc Samwer und Alexander Samwer steckten beziehungsweise stecken. Ihr Trick funktioniert immer gleich: Firmen-Ideen aus dem Ausland kopieren, dumme Investoren suchen oder Börsengänge starten, ihre Anteile teuer verkaufen und die nächsten Ideen suchen. Man fragt sich wirklich, warum das noch keiner gemerkt hat. Die Samwers haben in Berlin immer noch einen Stand wie ihn die Wirecard-Leute in München kurz vor dem Zusammenbruch hatten.

Selbst dem auf seinem Medienschiff durch Berlin schippernden Gabor Steingart ist was aufgefallen: Delivery Hero werde schon seit längerem von Wirtschaftsredaktionen, Investmentbankern und Analysten Richtung DAX geschoben. „Der Aufstieg des Unternehmens, das in einem Backstein-Gebäude in Berlin-Mitte residiert, ist an Skurrilität kaum zu überbieten: Weit entfernt von der Profitabilitätsschwelle machte der Lieferservice im ersten Halbjahr noch einen Verlust von 319,5 Millionen Euro (bereinigtes Ebitda), bei einem Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro in 2019. Zudem ist die Plattform in Deutschland nicht mehr aktiv. 2019 hatte man das hiesige Geschäft an die niederländische Firma Just Eat Takeaway abgestoßen.“

Am eigenen Markt nicht aktiv und noch nie einen Euro verdient, aber angeblich 20 Milliarden Euro wert und jetzt im Börsen-Olymp neben Daimler, SAP und BASF stehend: So bekloppt kann man nur in Deutschland sein, wo alles unbedingt digital werden soll und sei es nur ein Lieferdienst, bei dem die Pizza über Handy bestellt werden kann. Mehr hat man im einstigen Heimatland zahlloser technischer Genies wohl nicht mehr zu bieten. Delivery Hero soll nach dem Absturz von Wirecard offenbar die neue Wunderwaffe in der Digitalisierung sein. Es wird nicht funktionieren. Deutschland hat den Anschluss schon lange verpasst.

Der DAX ist allerdings auch in anderer Hinsicht eine Witzveranstaltung in einem einst für weltweit führende Unternehmen stehenden Land: Linde ist längst kein deutsches Unternehmen mehr, aber immer noch in der ersten Börsenliga. Da keine nennenswerte deutsche Firma beim kommenden Wasserstoff-Hype mehr vorzuweisen ist, bleibt der Gasekonzern Linde einfach im DAX, obwohl er von der amerikanischen Firma Praxair geschluckt wurde und seinen Hauptsitz inzwischen in Irland hat.

Wir haben uns etwas mit den Geschäften von Delivery Hero beschäftigt und sind schon bei den ersten kleinen Recherchen auf erstaunliche Parallelen zu Wirecard gestoßen. Angeblich erwirtschaftet Delivery Hero einen großen Teil des Umsatzes in Nordafrika und im Nahen Osten. Der mit vielen schönen Bildern und Grafiken garnierte Geschäftsbericht 2019 von Delivery Hero liefert uns zwar eine Karte von Ägypten, aber keinerlei Angaben zu geschäftlichen Aktivitäten im größten und wichtigsten Markt Nordafrikas und der arabischen Welt. Werden überhaupt Zahlen angegeben, geben sie Rätsel auf: In Kuwait soll der Umsatz von Delivery Hero im Jahr 2018 110 Millionen US-Dollar und 2019 schon 161,9 Millionen US-Dollar betragen haben. Wenn das stimmt, müsste jeder der vier Millionen Einwohner des Wüstenstaates – vom kleinen Abdullah bis zu Oma Aische – 2018 für 27,50 US-Dollar bei Delivery Hero bestellt haben und 2019 für rund 40 US-Dollar.

Werden die kuwaitischen Zahlen hochgerechnet auf ein Land wie Deutschland, hätte der Umsatz eines Lieferdienstes 2019 hier über drei Milliarden Dollar betragen müssen. Delivery gibt seinen weltweiten Umsatz nur mit der Hälfte an. Ein ähnlicher „Ausreißer“ scheint in Saudi Arabien vorzuliegen, wo das Unternehmen angeblich ebenfalls hohe Umsätze erzielt.

Aber wie bei Wirecard wird das Spiel so lange gut gehen, wie alle bewundernd auf die bunten Bilderchen und Grafiken in den Berichten schauen, keine Fragen stellen, Analysten den Kauf der Papiere empfehlen und Prüfer (diesmal KPMG) wundersame Umsatzsteigerungen in fernen Ländern mit Testaten versehen. Das wundert nicht, denn vom KPMG-Prüfer über die kleinen bei Delivery arbeitenden Kreativ-Knechte bis hin zu Journalisten und Politikern leben alle in der links-grün-weltverbessernden Radfahrer-Klimarettungs- und gendergerechten Fortschrittsgesellschaft von Berlin-Mitte. Mit der Realität hat diese Gesellschaft nichts zu tun.

Wir sind ziemlich sicher, dass Analysten und Journalisten nichts merken werden und nichts merken wollen. Und ganz sicher sind wir, dass die deutsche Finanzaufsicht BaFin nichts merken wird, uns nach dem Zusammenbruch von Delivery aber sofort erklären kann, warum sie nichts merken konnte.

Aber wenn die ganz große Blase platzen wird, kann die BaFin wirklich nichts dafür: Es wird der amerikanische E-Auto-Bauer Tesla sein. Was Wirecard und Delivery im Kleinen sind, ist Tesla auf der globalen Ebene: Noch nie einen Dollar verdient, und die ausgelieferten Autos haben nach Branchenuntersuchungen die schlechteste Qualität aller amerikanischen Autobauer. Die Bilanz von Tesla wird von kreativer Buchführung beherrscht, unbezahlte Rechnungen werden als Vermögen angegeben. Aber die Verehrung von Tesla-Chef Elon Musk und seiner Schrottfirma hat längst religiöse Züge angenommen. Gilt Musk doch als der Klima- und Erdretter schlechthin und als grüner Gegenpol zu Trumps Old Economy. Schnöde Zahlen sind in so einem Fall Nebensache, wie ein an Dummheit nicht mehr zu überbietenden Satz des deutschen Investors Frank Thelen zeigt: „Wie Tesla im Detail Buchführung macht, interessiert mich nicht. Ich glaube an den Gründer und CEO Elon Musk.“ Thelen hätte zu früheren Zeiten vermutlich an ganz andere Leute geglaubt. Der Glaube an Wunderwaffen war bei Deutschen schon immer sehr verbreitet.

Die nächste Blase wird grün. Wenn sie platzt, wird das alle anderen Wirtschaftskrisen in den Schatten stellen.

Dieser Beitrag wurde unter Bekloppte, Wirtschaftspolitik abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..