Sparer-Enteignung rückt näher

Wer sich ein Bild von der Finanzkrise in Europa machen will, sollte sich zwei Zahlen ansehen: Im Jahr 2000 lag die gesamte Staatsverschuldung in der EU bei 5,7 Billionen Euro. Inzwischen beträgt sie trotz aller Sparpakete und Schuldenbegrenzungsverträge wie Maastricht 11,4 Billionen Euro (Ende 2013). Der Berg wächst mit rasantem Tempo weiter an, die Schuldzinsen sind trotz der Zinsmanipulationen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, nicht zu bezahlen.

Hans-Werner Sinn (Ifo-Institut) schreibt im neuen Hauptstadtbrief: „Es ist Vogel-Strauß-Politik, sich noch länger vorzumachen, die Schulden würden zurückgezahlt. Je länger man mit dem Abschied von dieser Illusion wartet, desto mehr Schuldenprogramme müssen aufgelegt werden, desto länger zieht sich das Siechtum hin, und desto teurer wird die ganze Sache für die Steuerzahler.“ Sinn verlangt einen Schuldenschnitt und weitere Maßnahmen.

Der Schuldenschnitt ist längst in Planung. Griechenland war die Blaupause. Dort mussten die Gläubiger (Sparer und Anleger) im März 2012 auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen verzichten, die restlichen Forderungen wurden auf verschiedene Papiere mit Laufzeiten bis zu 30 Jahren verteilt. Genau so gut kann man die Griechen-Anleihen ins Klo spülen. Unsere südeuropäischen Verwandten werden auch in 30 Jahren nicht in der Lage sein, ihre Schulden zurückzubezahlen. Und nicht nur die. In Österreich läuft gerade ein gigantisches Schurkenstück im Zusammenhang mit der Pleite-Bank Hypo Alpe Adria. Am 8. Juli 2014 beschloss das österreichische Parlament einen Schuldenschnitt über 1,7 Milliarden Euro für die Pleite-Bank. Dadurch gehen die Besitzer nachrangiger Anleihen der Hypo Alpe Adria im Umfang von 890 Millionen Euro leer aus, darunter auch Sparer der deutschen Fondsgesellschaft DWS (Deutsche Bank), die mit mindestens 200 Millionen Euro dabei sind. Österreich dokumentiert damit, was Staatsgarantien wert sind in der EU: nichts. Denn die auf Null gestellten Anleihen waren vom Bundesland Kärnten garantiert worden. Außerdem muss die BayernLB als früherer Eigentümer einen Beitrag von 800 Millionen Euro leisten, für die der bayerische Steuerzahler aufzukommen hat.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat längst die Devise ausgegeben, dass überschuldeten Staaten die Schulden per Federstrich auf Null gestellt werden sollen. Ist die Schuldentragfähigkeit unklar, kommt die Laufzeitverlängerung der Anleihen, die einer Enteignung gleichkommt. Selbst Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ist intern längst für die Laufzeitverlängerung, auch wenn er offiziell noch das Festhalten am Stabilitätspakt predigt. Nachrichten aus der EU, der italienische Ministerpräsident Metteo Renzi stoße mit seinen Forderungen nach einer Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts auf Widerstand, werden sich als falsch herausstellen.

Geschlossen wurde längst ein anderer Pakt: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel stand unter Druck, nachdem ihr europäischer Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker („Wenn es ernst wird, muss man lügen“) nicht durchsetzungsfähig schien. Jetzt wird Juncker Chef der EU-Kommission, und Merkel stimmt im Gegenzug einer Aufweichung des Stablitätspakts zu. Regierungsamtlich wird das schon verklausuliert zugegeben. So sagte Regierungssprecher Steffen Seibert: „Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht Möglichkeiten der flexiblen Anwendung für einzelne Fälle vor.“

Gläubiger europäischer Staatsanleihen sind Menschen, die glauben, dass sie ihr Geld von den Schuldnern zurückbekommen. Verlassen sollten sie sich darauf besser nicht.

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